Ein Jahr Dieselskandal

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Gastbeitrag von Oliver Bayer

PIRAT OLIVER BAYER - VERKEHR - IAA - FOTO OLIVER BAYER- C CC BY

Vor einem Jahr wurde der Betrug des VW-Konzerns bei Dieselmotoren bekannt. Ein Jahr lang beschäftigt der Dieselskandal bereits die Politik, allerdings ohne dass sich die Politik in Deutschland wirklich damit aktiv beschäftigen würde.

Während nun die deutschen Autokonzerne trotz des jahrelangen Protektionismus durch deutsche Regierungen vorsichtig umsteuern und Neustrukturierungen vornehmen, sogar ihre Produktpalette überdenken, machen die Politiker von SPD, CDU und Grünen weiter wie bisher. Neustrukturierungen nach dem verheerenden Skandal, der ja im Wesentlichen auf das Versagen der Politik zurückzuführen ist, findet man weder bei der Bundesregierung noch in den Bundestagsparteien.

In Deutschland, so scheint es, stehen weder größere politische Ziele wie Umwelt-, Gesundheits- oder Klimaschutz, noch Verbraucherinteressen an geeigneter Stelle, um die kurzfristigen Renditen großer Autokonzerne schmälern zu dürfen. Kaum Entschädigungen, kein Innovationsdruck, keine Verantwortung.

Vor einem Jahr stellte die PIRATEN-Fraktion im Landtag NRW ihren ersten von mehreren Anträgen, die eine politische Reaktion auf den Skandal forderten: Grenzwerte und damit Maßnahmen in den Städten und Umweltzonen müssten neu bewertet werden, es müsste eine Reaktion in der Verkehrspolitik geben, die sowieso zugunsten auch unserer Gesundheit längst überfällig wäre. Die Chance, der Anlass für einen verdammt notwendigen Richtungswechsel in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik wäre da.

Doch es ist nicht nur nichts passiert. Im Plenum wurde von den verantwortlichen Parteien sowohl der politische Skandal geleugnet als auch skandiert, dass der Diesel eine politisch zu unterstützende Technologie der Zukunft sei. Daran glauben selbst die Chefetagen deutscher Autokonzerne inzwischen nicht mehr. Dennoch gelingt es ihnen, etablierte Politiker weiterhin zu zwingen, aussterbende Technologie unter Schutz zu stellen – allein für die kurzfristige Rendite. Dies setzt allerdings den Standort Deutschland für die gesamte Mobilitätsbranche aufs Spiel. Ein Startvorteil für neue Ideen im Bereich der Mobilität wird in Deutschland damit verspielt.

Ein Antrag der PIRATEN zur Reduzierung der ja tatsächlich tödlichen Luftverschmutzung in den Städten wurde Anfang des Monats ohne große Debatte abgelehnt. Zuvor war noch nicht einmal eine Anhörung zustande gekommen, was ansonsten in dem Parlament üblich ist. Die PIRATEN luden Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in den Verkehrsausschuss ein.

Die DUH verklagt Städte, die es mit ihren Luftreinhalteplänen nicht schaffen, die geforderten Grenzwerte einzuhalten. Dazu muss man wissen, dass Abmahnungen nicht nur einen kleinen Teil der Einnahmen des Vereins ausmachen. In der Sache hat die DUH stets Erfolg:

Die Städte müssen bessere Maßnahmen für die Gesundheit ihrer Bewohner ergreifen.

So erwirkte die DUH zuletzt am 13. September 2016 vor Gericht für Düsseldorf, dass die Maßnahmen der Stadt nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch wirksam sein müssen, die Stickstoffdioxid-Grenzwerte einzuhalten. Hauptverursacher sind Dieselfahrzeuge. Der Richter empfahl explizit Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.

Das kann jedoch nicht die finale Lösung des Problems sein. Die Verkehrspolitik insgesamt muss sich ändern, die Gestaltung der Städte muss Lebensqualität statt PKW-Spuren bereithalten. PKWs füllen die Straßen der Städte, die Auslastung ist aber deutlich geringer als bei jedem anderen Verkehrsmittel. Meist sind nur 20 % der verfügbaren Sitzplätze überhaupt belegt. Es kommt also nicht nur auf den Antrieb an, sondern auch darauf, die Attraktivität günstigerer und verträglicherer Verkehrsmittel deutlich zu steigern.

Damit alle Menschen mobil sein können, sollte der Öffentliche Nahverkehr im Mittelpunkt der Mobilität in Ballungsräumen stehen. Bus und Bahn müssen ausgebaut werden und die Chancen nutzen, die neue Technologien und gesellschaftliche Ideen bieten. Wo sonst könnte das Autonome Fahren besser eingeführt werden als auf den festgelegten Strecken von Buslinien, die so auch mit weniger Fahrgästen attraktiv würden.

Dennoch müssen die Fahrgäste in Bus und Bahn massiv zunehmen, damit für alle bequeme Taktzeiten und Liniennetze eingerichtet werden können. Um dies erreichen zu können, empfehlen die PIRATEN die fahrscheinfreie Nutzung von Bus und Bahn.
Diese radikale, aber wirkungsvolle Maßnahme wurde in der Verhandlung als „Bürgerticket“ auch in den Katalog der Möglichkeiten aufgenommen, die der Stadt Düsseldorf nun zur Verfügung stehen. Die 1970er-Jahre-Verkehrspolitik zu verlassen und eine wirksame Reaktion auf den Dieselskandal zu zeigen, wäre für alle Beteiligten – nicht nur für die belasteten Stadtbewohner – deutlich besser als das eigentliche Problem verdrängende Diskussionen um Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Diese werden aber nun kommen, weil SPD, CDU und Grüne zu lange geschlafen haben.

 

Gastbeitrag von Oliver Bayer MdL:
Sprecher der Piratenfraktion im Verkehrsausschuss und Vorsitzender der Enquetekommission des Landtags zum Öffentlichen Personenverkehr

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