Zwischen Abgeordneten, lauter PIRATEN und Corona: Mein Praktikum im (leeren) Europaparlament

Noch nicht einmal ein Jahr ist es her, dass ich meinen Mitgliedsantrag an die Piratenpartei geschickt habe. Hätte mir damals jemand erzählt, dass ich innerhalb der nächsten Monate bei den PIRATEN so viele spannende, interessante und auch verantwortungsvolle Aufgaben erledigen darf, so viel Neues dazulernen werde, so viele nette Leute kennenlernen werde und sogar ein dreiwöchiges Praktikum bei unserem Abgeordneten Patrick Breyer im Europaparlament machen darf, hätte ich das hundertprozentig nicht geglaubt. Ehrlich gesagt kann ich das selbst jetzt noch nicht mal richtig begreifen. Aber so ist das nun mal in der Piratenpartei. Wir sind nicht einfach ein Haufen Nerds oder Politikneulinge, sondern eine buntgemischte und motivierte Truppe, die die Hoffnung auf eine bessere Welt noch nicht aufgegeben hat und mit ihren begrenzten Mitteln alles dafür tut, die Welt Stück für Stück hin zum Positiven zu verändern. Da eröffnen sich schnell mal neue, bisher ungeahnte Möglichkeiten.

In diesem Blogbeitrag möchte ich einen Einblick geben, welche Erfahrungen und Eindrücke ich während meiner Zeit im Europaparlament sammeln konnte, wo ich als „dahergelaufener“ 18-jähriger Informatikstudent überhaupt sinnvoll helfen konnte und wie das Coronavirus meine Pläne durchkreuzt hat.

Der erste Tag

Mein erster Arbeitstag im Parlament war der 9. März. Um 10:30 Uhr holte mich Daniel Mönch, unser politischer Geschäftsführer und Mitarbeiter von Patrick, am Haupteingang des Parlaments ab. Nach einem kurzen Zwischenhalt im Akkreditierungszentrum stellt er mir all die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Piratendelegation vor – und das sind echt erstaunlich viele. Anschließend nahm ich an der Teamsitzung von Patricks Büro teil, welche mir einen ersten Einblick davon gab, was Europaabgeordnete noch so alles machen, außer in Plenar- oder Ausschusssitzungen zu sitzen oder mit den Medien in Kontakt zu stehen. Ebenso wurde mir bereits jetzt klar, wieso jeder Abgeordnete auch mehrere Mitarbeiter benötigt und was – zumindest so grob – deren Aufgabe ist. Nach der Teamssitzung richteten wir mir noch die nötigen Zugänge für die IT-Infrastruktur des Parlaments ein, und schon konnte die Arbeit beginnen. Von 16 Uhr bis 17 Uhr war dann Fraktionssitzung der Fraktion „Grüne/EFA“, der die Abgeordneten der Piratenparteien angehören. Die ganze Sitzung drehte sich allein um die Frage, ob die Abgeordneten trotz des Coronaviruses weiter vom Parlament aus arbeiten müssen oder nicht. Was noch keiner wusste: in nicht einmal 24 Stunden ist bereits die letzte Sitzung bzw. Veranstaltung vorbei, die in nächster Zeit überhaupt im Parlament stattfinden wird. Anschließend ging es in die erste und zugleich auch schon letzte Plenarsitzung, die ich mir während meines Praktikums von der Zuschauertribüne aus angeschaut habe. Auch diese drehte sich nur um Corona – jedoch nur 15 Minutem, weil nach dieser kurzen Zeit die Sitzung schon wieder beendet wurde. „Ansteckungsrisiko verringern“ war der Grund dafür, ebenso wie für die Absage fast aller weitern Plenarsitzungen in dieser Woche.

Eine Woche im EU-Parlament

In meiner ersten Woche als Praktikant war wirklich kein Tag auch nur ansatzweise ähnlich wie der andere – davon abgesehen, dass ich mich immer weigerte, schon um 17:30 Uhr mit dem Arbeiten aufzuhören und ich abends immer noch an Mumble-Sitzungen (eine Art Telefonkonferenz) teilnahm. Abgesehen vom Schreiben von Pressemitteilungen oder dem Schneiden von Videos – Dingen, die ich auch sonst oft für die Piratenpartei mache – skriptete ich mehrere Videos, drehte ich zwei Interviews mit Patrick, übersetzte Texte wie beispielsweise einen Video-Guide für den Rest der Delegation ins Englische und schoss viele Fotos von Patrick und dem Parlamentsgebäude für zukünftige Pressemitteilungen und Sharepics für Social Media. Außerdem bekam ich weitere interessante Einblicke, wie und an was sowohl Patrick als unserer Europaabgeordneter als auch sein restliches Team arbeiten.

Es war schon absurd, einfach so im Europaparlament rumlaufen zu können und dabei ständig Abgeordneten über den Weg zu laufen, die man vorher immer nur im Internet, auf Social Media oder im Fernsehen gesehen hat. Auf dem Weg ins Parlament Tiemo Wölken zu treffen, in einer Kantine des Parlaments unserem heißgeliebten Freund Axel Voss über den Weg zu laufen oder auf dem Weg zum Aufzug Martin Sonneborn im Gang stehen zu sehen ist definitv etwas, was einem als Politkinteressiertem gut gefällt.

Corona bricht aus

Nachdem bereits Montag fast alle Plenarsitzungen abgesagt worden waren, folgten am Mittwoch alle weiteren Sitzungen und sonstigen Veranstaltungen des Parlaments – egal ob Fraktionssitzung, Ausschussitzung oder Meeting einer Arbeitsgruppe. Und das auch gleich für die nächste Woche. Außerdem bekamen alle Abgeordneten und sonstigen Mitarbeiter die Anweisung, wenn möglich von zu Hause aus zu arbeiten und nicht mehr ins Parlament zu kommen. Ab dem Moment wurde es im Europaparlament von Tag zu Tag immer leerer. Donnerstag wirkte es schon wie ausgestorben, Freitag war es nochmal ein ganzes Stück leerer. An der Essenstheke in der Kantine waren wir Freitag sogar die einzigen. Gleichzeitig wurden auch die sonstigen Schutzmaßnahmenvon Tag zu Tag ausgeweitet. Wir bekamen Emails mit Anweisungen, dass wir uns von nun an nicht mehr die Hand geben oder uns umarmen sollen und dass man wenn möglich 1,5 Meter Abstand voneinander halten soll. Überall standen Desinfektionsmittelspender herum. In der Kantine konnte man sich nicht mehr selber Essen nehmen, alle Theken waren mit Folien abgedeckt, die Köche trugen alle Mundschutz, Handschuhe und Schutzausrüstung und zahlen konnte man nur noch mit Karte. Ende der Woche war so gut wie alles im Parlament zu – und auch wir Mitarbeiter von Patrick begaben uns am Wochenende letzendlich zurück nach Deutschland, um von daheim weiter zu arbeiten. Das war gerade noch rechtzeitig, denn Montag schlossen bereits alle Restaurants, Bars, Schulen und Co. in Belgien, ab Mittwoch gab es Ausgangssperren und kurz danach stellte auch Flixbus alle Busreisen ein.

Homeoffice als Pirat

Ab meiner zweiten Praktikumswoche war also Homeoffice angesagt, was auch sehr gut geklappt hat. An meiner Arbeitsweise hat sich dadurch eigentlich nicht großartig etwas geändert. Klar, wenn ich Fragen hatte konnte ich nicht mehr einfach jemanden im Büro fragen, sondern musste die Person anschreiben und bei den Teammeetings saßen wir nicht mehr im gleichen Raum, aber ansonsten ist eigentlich alles gleich geblieben. Das liegt aber vor allem auch daran, dass wir PIRATEN generell nahezu alles über das Internet erledigen und sich dementsprechend auch an der Arbeitsweise unserer Partei rein gar nichts geändert hat – bis auf die Stammtische, die momentan ausfallen beziehungsweise teilweise virtuell stattfinden.

Was ich vom Homeoffice aus alles gemacht habe

Die beiden Wochen, in denen ich von meinem Schreibtisch aus daheim gearbeitet habe, waren nahezu vollständig der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gewidmet. Hauptsächlich schrieb ich Pressemitteilungen und Skripte für Videos und übersetzte alle möglichen Texte wie beispielsweise alle Pressemitteilungen und den Video-Guide vom Deutschen ins Englische. Des Weiteren entwarf ich die Texte für Übersichtsseite zur EU-Urheberrechtsreform und zur TERREG-Verordnung, bereitete eine Menge Sharepics sowie vorformulierte Texte für Social Media vor. Und auch sonst gab es immer kleinere Aufgaben, die es zu erledigen galt – langweilig wurde mir also nicht. Hätte ich bei einem Abgeordneten einer andere Partei Praktikum gemacht, hätte ich sehr wahrscheinlich lang nicht so viele interessante und verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen dürfen – das ist definitiv auch ein Bonus, den nur die PIRATEN als Mitmachpartei bieten.

Was ich mitnehme

Auch wenn das Praktikum alles andere als so war, wie die normalen Praktikas im Europaparlament, nehme ich neben tollen Erinnerungen und Erfahrung auch viele interessante Einblicke in das Geschehen im EU-Parlament und die Arbeit von Abgeordneten und deren Mitarbeitern mit. Eine Sache, die mich mit am meisten überrascht hat, ist, wie sehr die Abgeordneten im EU-Parlament auch parteiübergreifend innerhalb der selben Fraktion oder innerhalb des selben Ausschusses zusammenarbeiten. Schließlich hört man in den Medien immer nur davon, wie sich die verschiedenen Parteien anfeinden und gegenseitig kritisieren, und nicht, wie sich die Abgeordneten auch gegenseitig – zumindest teilweise und meist auch nur in ihren Fachgebieten – helfen. Des Weiteren war es wirklich schön, so viele Leute zu sehen, die Vollzeit für die europäischen Piratenparteien arbeiten und mit ihrer Arbeit und ihrem Einsatz die weltweite Piratenbewegung und unsere Forderungen und Ideen voranbringen. Schließlich habe ich während meines Praktikums auch immer mehr das Gefühl bekommen, dass selbst Politiker, die aus meiner Sicht wirklich bescheuerte Positionen vertreten, teilweise auch nur das Beste für die Gesellschaft wollen und einfach der Meinung sind, dass ihre Forderungen gut für uns seien.

Was ich euch mitgeben will

Auch das Praktikum im Europaparlament hat mir mal wieder gezeigt, dass ich in bei den PIRATEN sehr gut aufgehoben bin und dass die Piratenpartei einfach die beste Partei ist, die ich mir vorstellen kann. Und jetzt, bald ein Jahr nach meinem Parteieintritt, und nach meinem Praktikum im Europaparlament, kann ich rückblickend nur sagen, dass ich froh bin, diesen Schritt damals gemacht zu haben, dass ich dankbar bin, dass mich zahlreiche Parteimitglieder so nett aufgenommen haben und dass ich mich auf unsere weitere gemeinsame und hoffentlich erfolgreiche Zeit schon sehr freue. Politisch läuft in Deutschland, aber auch in der EU einfach noch viel zu viel falsch – und von alleine wird es leider auch nicht besser werden, das hat mir erstmals die EU-Urheberrechtsreform gezeigt. Deshalb ist jeder einzelne gefragt: Jeder zählt, jeder ist entscheidend und jeder kann dazu beitragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Auch du! Ich jedenfalls habe mit den PIRATEN die für mich richtige Partei gefunden und durch meinen Einsatz das Gefühl, etwas bewegen zu können und Teil von etwas Großem zu sein.


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