Piratenpartei Mittelfranken stellt Konzept zum fahrscheinlosen ÖPNV im VGN-Gebiet vor

Vorwort

In Zeiten gesteigerter Mobilitätsbedürfnisse und steigender Kosten des Personenkraftverkehrs ist eine Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) als gemeinsame Aufgabe unumgänglich. Die Piratenpartei hat sich zum Ziel gemacht diese Weiterentwicklung aktiv zu fördern – der Gedankengang eines ticketfreien ÖPNV stellt einen zentralen Punkt dieser Weiterentwicklung dar. Um aus der Idee einmal Realität werden zu lassen hat die Piratenpartei Nürnberg das folgende Konzept entwickelt. Die Modelberechnung für den Verkehrsgroßraum Nürnberg soll dabei als Orientierungshilfe und Meilenstein verstanden werden und keinesfalls als fertig umsetzbares Gesetz missinterpretiert werden.  Vielmehr geht es bei der Konzeption und Kalkulation um das Aufzeigen von Größenordnungen der Finanzierungsverschiebung sowie der Entwicklung neuer Ideen zur Finanzierung des ÖPNVs´. Das Konzept wurde Aufgrund einer Wette innerhalb von 8 Wochen fertig gestellt. Bei der Erstellung beteiligten sich ca. 70 Personen – gearbeitet wurde Schwerpunktmäßig mittels eines digitalen Pads; es fanden 3 reale Arbeitssitzungen zur Erstellung des Konzeptes statt. Insgesamt wurden ca. 150-160 Arbeitsstunden (vor allem Diskussion und Informationsaustausch) aufgewendet. Denkanstöße kamen aus allen Teilen des Deutschsprachigen Raumes sowie aus Hasselt und Tallin.

 


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Ziele für den ÖPNV

Jegliche politische Konzeption erfordert eine klare politische Zielsetzung bzw. Richtungsentscheidung. Die Piratenpartei Nürnberg hat sich entschieden folgende Punkte in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen:

1) Das ökonomische Ziel des Konzeptes ist den ÖPNV effizienter innerhalb des aktuellen Finanzierungsbedarfs zu gestalten. Damit wird er für alle günstiger.

2) Das ökologische Ziel des Konzeptes ist die Einsparung von möglichst viel CO2 durch positive Anreize auf den ÖPNV umzusteigen.

3) Das soziale Ziel des Konzeptes ist die Sicherstellung und Erweiterung der individuellen Mobilität aller Bürger.

 

Rahmen des Konzepts

Jegliche politische Konzeption erfordert ebenfalls eine klare Abgrenzung um hervorzuheben welche weiteren Felder zur Diskussion stehen – jenseits dessen, das sie innerhalb der kürze dieses Konzeptes erörtert werden können. Daher haben wir folgende Punkte aus dem Konzept ausgeklammert:

1) Diskussion über die Qualität des ÖPNVs (Fläche/Taktung/Technik/Geschwindigkeit )

2) Diskussion um Rationalisierung von Arbeitsstellen (siehe Fahrerlose U-Bahn)

3) Diskussion über Serviceerweiterungen (Leihräder, Carsharing, Bürgerbusse)

 

Logische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem ticketlosem ÖPNV

Während des Diskussionsprozesses kristallisierten sich mehrere politische Maßnahmen die nicht primär finanziellen/fiskalischen Charakter haben. Diese sollen bewusst an dieser Stelle – vor der finanziellen Betrachtung – genannt werden. Es sind:

1) Der ÖPNV in seiner aktuellen Form wird zu weit mehr als 50% durch staatliche also öffentliche Mittel finanziert. Trotz des allgemeinen Interesses und vorwiegender Finanzierung durch die Öffentlichkeit liegen die notwendigen Daten zur ernsthaften Berechnung/Konzeptionierung des hier erstellten Konzeptes schlicht nicht vor. Daher fordern wir im Sinne des öffentlichen Interesses die absolute Transparenzpflicht für Unternehmen des ÖPNV. Diese Transparenz ist zur Weiterentwicklung des ÖPNVs´ unumgänglich (alternativlos).

2) Der ÖPNV kann aus unserer Sicht nur sinnvoll durch ein dynamisches Bürgerentwicklungskonzept entwickelt werden. Dabei müssen alle Bürger selbst über Neuinvestitionen und insbesondere über Grundausrichtung der Investitionsstruktur (Fläche contra Komfort) entscheiden.

3) Eine permanente Evaluation des Prozesses und Optimierung des Services sollte angesichts steigender Flexibilitäts- und Mobilitätswünsche einerseits und ebenfalls steigenden Kosten des motorisierten Individualverkehrs andererseits von vornherein in jegliche Neuinvestition bzw. Ausrichtung integriert werden.

 

Finanzielle Betrachtung

Das Kernstück des Konzeptes für einen ticketfreien ÖPNV im VGN-Raum ist natürlich die finanzielle/fiskalische Betrachtung.

Zu aller erst prüfen wir also die dann eingetretene Einnahmenstruktur und setzten diese im Vergleich zu der Einnahmenstruktur der VGN im Jahr 2010. Diese Einnahmen gliedern sich in Einnahmen durch Fahrkartenerlöse und Zuwendungen seitens der öffentlichen Hand. Da aber der ticketfreie ÖPNV nur die Fahrkartenerlöse verändert betrachten wir nur die Einnahmen durch Fahrkartenerlöse. Diese würden in Zukunft dann so aussehen:

Jahr 2010 Futur Pirat
Einzelfahrkarten 33.556.736 € – €
Streifenkarten 21.432.388 € – €
Tagestickets 23.753.004 € – €
CityTicket DB BC 573.652 € – €
Gruppenfahrten 173.525 € – €
Kombitickets 1.371.955 € – €
DB Regiotickets 16.177.725 € – €
Sonstige Fahrkarten 1.234.672 € – €
Summe 98.273.657 € – €
MobiCard 33.389.741 € – €
Abo (1-12 Monate) 37.659.039 € – €
FirmenAbo 13.316.563 € – €
Familientarif Erlangen 233.105 € – €
Summe 84.598.447 € – €
Schüler Selbstzahler 19.872.439 € 19.872.439 €
Schüler Kostenträger 45.082.744 € 45.082.744 €
Wochenkarte Selbstzahler 2.449.806 € – €
Semesterwertmarken 2.084.348 € – €
Semesterticket 882.887 € – €
Summe 70.372.223 € 64.955.183 €
Sonstige Fahrkarten 78.242 € – €
Sozialpass Nürnberg 2.215.321 € – €
Fahrgeldeinnahmen 255.537.890 € 64.955.183 €
Fahrgeldeinnahmendefizit – 190.582.707 €

 

Anmerkung:

Einzig verbleibende Fahrkarteneinnahmen sind die derzeit direkt bezahlten Schülertickets sowie die Einnahmen der sogenannten „Selbstzahler“ – diese werden in den meisten Fällen wiederum seitens der Kommune oder anderer öffentlicher Träger erstatten. Daher sollte rein prinzipiell ein Bildungsanteil gebildet werden und automatisch dem ÖPNV zugeschlagen werden.

Wie zu ersehen ist verbleibt gegenüber der ursprünglichen Einnahmesituation ein Defizit i.H.v. ca. 190 Millionen Euro, die gegenfinanziert werden müssen.

Gleichzeitig ergeben sich jedoch auch Einsparpotentiale die natürlich gegengerechnet werden können. Diese setzten sich wie folgt zusammen:

 

Einsparungen (Schätzung) Nue VGN
Einsparung Verkaufsprozess 3.000.000 € 6.000.000 €
Strukturvereinfachung Tarifplanung 1.000.000 € 3.000.000 €
Schwarzfahrerverfolgung 1.000.000 € 1.500.000 €
5.000.000 € 10.500.000 €

 

 

Diese haben wir absolut konservativ geschätzt und nehmen an, dass weiteres Sparpotential vorhanden ist und sich auch bei einer Umsetzung des Konzeptes einstellen wird. Für die weitere Berechnung wollen wir aber von den „gering“ geschätzten Einsparungen ausgehen.

Somit liegt das Zwischendefizit bei rund 180 Mio. Euro die es gilt gegen zu finanzieren.

 

Gegenfinanzierung

Die Projektgruppe hat mehrere Ideen der Gegenfinanzierung besprochen. Eine Diskussion um die Abschaffung der Pendlerpauschale als Gegenfinanzierung hat die Gruppe vermieden; vor allem weil die Gruppe mehrheitlich der Meinung war das die Finanzierung vor allem auf kommunaler/regionaler Ebene machbar sein sollte. Für die Finanzierung schlägt die Projektgruppe zwei Alternativen vor:

 

 

Finanzierungsalternative 1

Ausgehend von den Berechnungen von Boris Palmer zur Citymaut würde diese für die Finanzierung des ticketlosen ÖPNV im Bereich des VGN reichen. Es wäre sogar mit einem deutlichem Plus, das für die Erweiterung des ÖPNV benutzt werden könnte vorhanden.

 

Finanzierungsalternative 2

Als eigene Alternative zur Finanzierung des ÖPNV schlägt die Projektgruppe folgende Einnahmequellen vor:

Einnahmequellen Nue VGN
Bettensteuer Kölner Model 10.000.000 € 16.000.000 €
Werbe- und Flächenvermarktung 3.000.000 € 6.000.000 €
13.000.000 € 22.000.000 €

 

Wie ersichtlich ist reichen die geschätzten 22 Mio. nicht aus um die Deckungslücke i.H.v. ca.180 Mio. zu decken. Daher schlägt die Projektgruppe vor das restliche Defizit durch eine Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer gegen zu finanzieren.

Nach Berechnungen der Projektgruppe beliefe sich eine parallele Erhöhung um durchschnittlich ca. 13%!

Natürlich ist die Einsparung des Ticketpreises dabei um einiges höher als die erhöhte Abgabenlast, wie wir in mehreren Stichproben empirisch geprüft haben.

Für alle Bürger ergibt sich ein Einsparungseffekt, indem die Fahrkarte über die Miete bzw. Gewerbesteuer gezahlt wird; für Unternehmen ergibt sich eine Realeinsparung durch den Wegfall von Jobtickets und ähnlicher Kosten.

Wünschenswert wäre im übrigem eine Harmonisierung der verschiedenen Hebesätze für Gewerbesteuer in den verschiedenen Kommunen.

Natürlich sollen über die Umsetzung des Konzeptes die Bürger in Form eines Bürgerentscheides abstimmen.

 

Ungeklärte/weiterführende Punkte

Den logischen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem ticketlosen ÖPNV stehen einige Ideen gegenüber die nicht sinnvoll innerhalb dieses Konzeptes einbezogen werden konnten:

1) Natürlicherweise hilft ein funktionierender ÖPNV den CO2-Verbrauch zu senken. Somit wäre es nur eine durchaus logische Folgerung den ÖPNV auch an den CO2-Zetrifikatshandel anzuschließen und so Einnahmen zu generieren. Dieses ist z.Zt. nicht der Fall. Eine Berechnung über die tatsächlichen Einsparungen und möglichen Einnahmen würde dieses Konzept absolut sprengen.

2) Eine Möglichkeit zur Einsparung erscheint im Kontext der VGN auch die Beseitigung der mehrfachen Firmenstruktur. Da jedoch juristische Unklarheiten herrschen wollte die Gruppe sich hierzu nicht abschließend äußern.

3) Lärm und Feinstaub sind Maßstab individuell gefühlter Lebensqualität. Diese Lebensqualität lässt sich nur bedingt in einer Betriebswirtschaftlichen aber auch selbst in einer Volkswirtschaftlichen Betrachtung ausdrücken. Folglich müssen die Bürger in ihrer Mehrheit entscheiden wie hoch der Wert dieser Lebensqualität ist und den Preis den sie zu zahlen bereit sind festlegen.

4) Trotz der absoluten Unberechenbarkeit muss auch auf die vielen Millionen Minuten eingesparter „Ticketeinkaufszeit“ hingewiesen werden, die sich aus den individuellen Kaufvorgängen aggregieren. Jenseits der intensiven volkswirtschaftlichen Betrachtung macht es das alltägliche Leben einfacher.

5) Grundlegend wurde überlegt die Parkraumbewirtschaftung zur Finanzierung heranzuziehen. Nach Prüfung der Zahlen erscheint dieses nicht zielführend.

 

6) Last but not least sieht die Konzeptgruppe ein großes Potential eines ticketfreien ÖPNV in der Attraktivitätssteigerung von Stadtzentren. Einerseits bedeutet es für den Einzelhandel eine Art „Wettbewerbsausgleich“ gegenüber den Einkaufsmöglichkeiten im Internet; der ticketfreie ÖPNV wird nicht alle Probleme in diesem Kontext lösen ist aber neben den anderen Vorschlägen ein wichtiger Baustein im piratigen Stadtentwicklungskonzept.

Zielprüfung

Jedes Konzept sollte nach der technischen Diskussion zu guter Letzt nochmals daraufhin überprüft werden ob es denn die Vorgaben erfüllt.

1) Das ökonomische Ziel wird durch Realeinsparungen und damit Rationalisierung erreicht. Siehe Einsparungen im Finanzierungskonzept. Diese Einsparungen sind spürbar, auch wenn Sie nicht den zuerst angenommenen Rahmen erreichen.

 

2) Das ökologische Ziel wird durch ein durch deutliches Umsteigen von PKW auf ÖPNV erreicht. Siehe Umfrage zum ticketfreiem ÖPNV des Piratenwerks Bayern e.V.

3) Das soziale Ziel ist durch Umsetzung eines solchen Konzeptes erfüllt, da alle (auch diejenigen die sich heute keine Fahrkarte leisten können) ins Konzept integriert sind.

 

Weiter Schritte:

1) Die Piratenpartei Nürnberg schlägt vor möglichst sofort einen ticketfreien ÖPNV auf der Strecke des Busses 36 einzuführen. Das ist von den Kosten überschaubar, fördert den Einzelhandel und liefert garantiert interessante Informationen.

2) Nachdem Tallin die erste größere Stadt ist die flächendeckend auf ticketfreien ÖPNV setzt wollen wir möglichst bald das System vor Ort kennen lernen und dort lernen.

3) Das ticketfreie ÖPNV-Konzept VGN basiert auf einer dezentralen Einführung des Systems. Weltweit wird jedoch an ticketfreien ÖPNV –Konzepten gearbeitet. Diese sollten miteinander verglichen und evaluiert werden.

 

Kontakt:

Piratenpartei Nürnberg; Zirkelschmiedsgasse 5 – 90402 Nürnberg – vorstand@piraten-nbg.de

Fragen zum Konzept bitte an emanuel@kotzian.de oder christina.grandrath@piraten-nbg.de

Linksammlung/Arbeitsnachweise

Geschäftsbericht-VGN:

http://vgn.de/ib/site/documents/media/d5730a5e-c772-4feb-b255-5942f294db37.pdf/Verbundbericht_2010_web.pdf

Arbeitspads:

https://kvn.piratenpad.de/5

https://kvn.piratenpad.de/6

https://kvn.piratenpad.de/7

Wiki: http://wiki.piratenpartei.de/BY:Mittelfranken/KV_Nürnberg/Kommunalpolitik/Verkehr/Fahrscheinloser_ÖPNV#Arbeitsplan

Facebook – Gruppe Ticketfrei und Spaß dabei:

http://www.facebook.com/groups/383367061703571/

 

Video Fahrscheinloser ÖPNV:

http://www.zukunft-mobilitaet.net/9879/analyse/video-fahrscheinloser-oepnv-piratenpartei-braunschweig/

 

Mobilitätsstilanalysen:

http://idw-online.de/pages/de/news141187 http://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/114295/

 

Die Stadt Hasselt:

http://toerisme.hasselt.be/du/content/4404/met-de-bus.html

 

Zukunft Mobilität:

http://www.zukunft-mobilitaet.net/9011/analyse/kostenloser-oepnv-vorteile-nachteile-effekte/

 

weitere Links

http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Palmer-will-die-City-Maut-_arid,170245.html

http://www.michael-menzel.info/fileadmin/MichaelMenzel/Konzept_OEPNV_2012.pdf

http://derstandard.at/1317019792753/Kostenlose-Oeffis-Weniger-als-ein-Drittel-der-Kosten-werden-durch-Tickets-getragen


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